„Die lange Nacht des Klaviers“ hatte der Verein „Klassik in Spandau“ das letzte Konzert seiner Saison benannt. Es wurde dann „Die lange Nacht der Klaviere“. Denn Dmitry Ablogin hatte für seinen Auftritt im Carl Bechstein Saal Spandau zwei verschiedene Hammerflügel gewählt, bevor Giuseppe Guarrera und Shihyun Lee auf dem C. Bechstein Konzertflügel D 282 konzertierten.
Dmitry Ablogin eröffnete den Abend mit einer Premiere: Denn erstmals erklang der um 1783 gebaute Hammerflügel von Anton G. Walter, dessen Restaurierung Robert Brown und Michael Kirchweger gerade erst vollendet hatten. Ablogin hatte sich sofort in dieses Instrument verliebt, dessen intimer Klang bestens für Haydns c-Moll-Sonate Hob. XVI:20 und Mozarts „Sonata facile“ geeignet ist. Schuberts Impromptus in Es-Dur und Ges-Dur aus Opus 90 wiederum spielte Ablogin auf dem etwas voluminöseren Hammerflügel von Joseph Brodmann (um 1805), den Ugo und Claudio Casiglia für die Instrumentensammlung der Carl Bechstein Stiftung restauriert hatten. Ablogin, der 2021 den hochdotierten Internationalen Deutschen Pianistenpreis auf einem modernen C. Bechstein Konzertflügel gewonnen hatte, zeigte sich diesmal als Meister der historischen Aufführungspraxis, der mit Eingängen und Übergängen gekonnt vom einen zum anderen Werk modulierte, mit zahlreichen Verzierungen bzw. Auszierungen Wiederholungen zu spannenden Erlebnissen werden ließ und uns auf den historischen Instrumenten erahnen ließ, wie die Wiener Klassik zu ihrer Zeit geklungen haben mag.
Einen spannenden klanglichen Kontrast bot anschließend Giuseppe Guarrera, der sich am C. Bechtein Konzertflügel romantischen Werken widmete. Der Dozent der Barenboim-Said-Akademie in Berlin, der während der Corona-Pandemie von der Carl Bechstein Stiftung mit einem einjährigen Stipendium unterstützt worden war, ließ Schumanns „Fünf Albumblätter“ aus op. 99 nahtlos in die Fantasiestücke op. 12 übergehen und schloss auch Liszts „Venezia e Napoli“ ohne Pause an. Dabei hielt er vom ersten bis zum letzten Ton die Spannung und begeisterte mit einem inniglichen Schumann und einem nicht weniger kantablen Liszt.
Shihyun Lee, die als Studentin der Universität der Künste in Berlin während der Pandemie ebenfalls mit einem Stipendium der Carl Bechstein Stiftung ausgezeichnet worden war, lebt mittlerweile wieder in ihrer Heimat und war für das Konzert in Spandau extra aus Korea angereist. Sie eröffnete mit den ersten fünf der zehn Préludes op. 23 von Rachmaninow, die sie mit stupender Virtuosität und großem Klang interpretierte. Mit Max Regers 23 Variationen und Fuge über ein Thema von Georg Philipp Telemann op. 134 hatte Shihyun Lee ein höchst anspruchsvolles Werk auf das Programm gesetzt, dessen Komplexität sie in beeindruckender Transparenz offenlegte.